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Erich Kästner
Abschied in der Vorstadt
Wenn man fröstelnd unter der Laterne steht,
wo man tausend Male mit ihr stand …
Wenn sie, ängstlich wie ein Kind, ins Dunkle geht,
winkt man lautlos mit der Hand.
Denn man weiß: man winkt das letzte Mal.
Und an ihrem Gange sieht man, daß sie weint.
War die Straße stets so grau und stets so kahl?
Ach, es fehlt bloß, dass der Vollmond scheint …
Plötzlich denkt man an das Abendbrot
und empfindet dies als gänzlich deplaciert.
Ihre Mutter hat zwei Jahre lang gedroht.
Heute folgt sie nun. Und geht nach Haus. Und friert.
Lust und Trost und Lächeln trägt sie fort.
Und man will sie rufen! Und bleibt stumm.
Und sie geht und wartet auf ein Wort!
Und sie geht und dreht sich nie mehr um …
Das Gedicht stammt aus dem 1928 erschienenen ersten Gedichtband von Erich Kästner, der den Titel „Herz auf Taille“ trägt und seinen Weltruhm als Schriftsteller begründete. Wenig später folgte das Kinderbuch „Emil und die Detektive“.
Erich Kästner lebte von 1899 bis 1974.
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