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Maarten ’t Hart
Auszug aus: Gott fährt Fahrrad
oder Die wunderliche Welt meines Vaters
Ja, dachte ich, es ist, als würde ich mit jedem heraufkommenden Jahr mehr vom Frühling entdecken und als hätte ich jedes Jahr wieder ein wenig von dem vergessen, wie es im Jahr davor gewesen war, als könnte ich mich nur daran erinnern, während ich es erlebte. Und als gäbe es doch noch immer wieder Dinge, die man übersieht, als könnte man die Quintessenz noch nicht erfassen. Denn es sind nicht allein die Düfte, nicht allein die linden, traurigen Lüfte, nicht nur diese schon so spät heraufziehenden, dunklen Abendhimmel, die sich so samten über einem wölben, nicht nur die leidenschaftlich rufenden Amseln in der Abenddämmerung, nein, es sind auch andere Dinge, und man kommt einfach nicht dahinter, was es ist. Es ist genauso, dachte ich, wie wenn man verliebt ist. Wenn sie nicht da ist, kann man sich ihr Gesicht nicht vorstellen. Wenn sie da ist, erinnert man sich wieder daran, und doch weiß man dann nicht, was es nun genau ist, wodurch man so tief berührt wird. Aber dann sah ich auf einmal, daß die Köpfchen des Huflattichs an der Straße ihren Flaum schon verloren hatten, und ich dachte: Vielleicht ist es der letzte Sommer für meinen Vater.
(Serie Piper 3404)
Maarten’Hart zeichnet voller Liebe das Porträt seines Vaters, der als Totengräber auf dem Friedhof seine Lebensaufgabe gefunden hat. Er ist ebenso fromm wie kauzig, ebenso bibelfest wie schlitzohrig. Die Allgegenwart des Todes prägte die Kindheit des Erzählers. Und so ist dieses heiter-melancholische Erinnerungsbuch ein befreiender und zugleich trauriger Versuch, einigen Wahrheiten auf den Grund zu kommen.
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